Walter Steiner Kollektiv

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Walter Steiner Kollektiv

Die neu gebaute Umgebung in der Schweiz widerspiegelt das Vokabular durch welches sie kommuniziert wird. Es ist ein Vokabular das sich im heutigen Architekturdiskurs verselbstän­digt hat und unsere Idealvorstellungen und Normen unhinterfragt repräsentiert. Es beinhaltet Wörter die ausschliesslich positiv konnotiert sind und die komplementär eingesetzt werden, obwohl sie sich in ihrer eigentlichen Bedeutung widersprechen. Ohne Fragen aufzuwerfen sind sie dehnbar, vielseitig anwendbar und scheinen vielmehr Abbild der Moral und Werte ihres Benutzers als Auseinandersetzung mit Architektur zu sein. Durch die Art und Weise ihrer Verwendung sind diese Wörter vollends ihrer Bedeutung enthoben, zu leeren Worthülsen verkommen und Projektionsfläche für diffuse Hoffnungen geworden.

Dieses verselbständigte, adaptive Vokabular setzt gleichzeitig die Richtwerte im Entstehungsprozess von Architektur. So wird jenes zur Argumentationsbasis des Dialogs in der schweizerischen Kultur des Konsenses. Im Spannungsfeld zwischen Architekten, Fachplanern, Privaten, Investoren und der öffentlichen Hand manifestiert sich dieser Konsens als Übereinstimmung und Zustimmung, wobei Dissens und Vielfalt als störend empfunden werden, während ersterer durchaus mit fehlendem Widerstand vereinbar ist. Die gebaute Konsequenz dieser Konsensfindung ist eine Architektur des Kompromisses – denn während sich auf dem Weg zur Übereinstimmung keine Partei mässigt, fallen der Verzicht und die Abstriche allein auf die Architektur zurück.

Die entkräftete Idee verliert so alle Möglichkeit zu einer verständlichen Aussage, zu einer kritischen Frage oder zu einer politischen Haltung. Das Endprodukt und dessen Verträglich­keit stehen über seinem Inhalt und die Angst vor dem Unbekannten siegt über die Neugier. Der Mehraufwand an Mut, Scharfsinn und Kritik der vom Architekten abverlangt wäre, um sich der Absurdität und Willkür im Entstehungsprozess von Architektur zu widersetzen, versiegt unter dem Druck der Ökonomie, der Abhängigkeit vom innerdisziplinären Zirkus, der gesellschaftlichen Norm und seinem eigenen selbstbezogenen Erfolgsstreben.

Wenn Architektur zum reinen Erfüllen von Anforderungen wird, die in einem unreflektierten, undifferenzierten Vokabular wurzeln, ohne ein kohärentes Ganzes schaffen zu können, wird der Kompromiss zum Feind jeder Idee. Die Gefahren und Demütigungen im Kampf dagegen sind gross, doch es ist unsere einzige Möglichkeit als Architekten die Auto­rität der Architektur und das Mittel der echten Idee als unser Werkzeug zurückzugewinnen. Im Kollektiv müssen wir ein präzises Vokabular erlangen um Architektur kritisch disku­tierten zu können. Und wir müssen den Mut finden, um das Potential unserer gebauten Zukunft nicht im Konsens mit fehlendem Widerstand untergehen zu lassen.

Walter Steiner Kollektiv

waltersteinerkollektiv@gmail.com